Blitze gefährden Windenergieanlagen. Spezielle Schutzeinrichtungen sichern die Windräder gegen schwere Blitzschlagschäden wie Feuer oder Überspannung.

 

Abgerissene Rotorblätter, zerfetzte Flügel, brennende Gondeln – ein Blitzschlag kann für eine Windenergieanlage (WEA) ein spektakuläres Ende bedeuten. Das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES, ehemals: ISET) verzeichnete zwischen 1992 und 2005 in den erfassten WEA insgesamt 1155 Blitzschäden, im Durchschnitt standen die Räder danach 35 Stunden still. Anfang 2007 fängt in Riemsloh die Gondel eines Windrads wohl nach einem Blitz Feuer, die Flammen breiten sich aus, weil die Feuerwehr den Brand in 80 Metern Höhe nicht erreichen, so der Experte, muss nach den Berechnungsgrundlagen der DIN EN62305 (VDE0185-305):2006-10 eine hohe Blitzschutzklasse angelegt werden.

Für Onshore-Anlagen gilt Blitzschutzklasse II mit einer Absicherung gegen bis zu 150 Kiloampere, für Offshore gilt sogar Blitzschutzklasse I mit erwarteten Einschlägen bis 200 Kiloampere. Grund dafür ist die exponierte Lage der Windräder und die damit verbundene hohe Einschlagswahrscheinlichkeit. Auf Plattform FINO wird Blitz-Häufigkeit und Parameter gemessen.
Verlässliche statistische Daten zur Gefährdung der Standorte im offenen Meer gibt es nicht, in Deutschland werden derartige Parks erst seit Kurzem realisiert. Forschungsprojekte wie RAVE (Research at Alpha Ventus) im ersten Offshore-Park Alpha Ventus oder die Plattformen FINO, sollen unter anderem Blitz-Häufigkeiten und Parameter für künftige Offshore-Anlagen messen. Onshore haben vor allem Windräder in den Mittelgebirgen mit Blitzschlägen zu kämpfen, von den 405 WEA im Mittelgebirge, die zwischen 1992 und 2005 im Windmonitor des IWES erfasst waren, kamen 497 Meldungen über Blitzschäden, 147 waren direkte Treffer.

Komplexes Zusammenspiel aus äußerem und innerem Blitzschutz
Betroffen ist in erster Linie die Steuerungseinheit, daneben aber auch der Körper der Rotorblätter und die aerodynamische Bremse, das Anhalten des Windrads durch Anstellen der Flügel. „Das verwundert nicht, immerhin zeigen Statistiken, dass der Blitz zu 56 Prozent ein Rotorblatt trifft“,erklärt Linder. Dabei könne es sogar zu Ausschmelzungen an den Rotorspitzen kommen. Dagegen werden inzwischen in die Blattspitzen Rezeptoren eingebaut, die definierte Einschlagpunkte vorgeben. Die konkrete Ausführung variiert hier je nach Hersteller, von einem Kupfergeflecht an den Spitzen über austauschbare Metallkappen bis zu leitenden Profilen in den Blattkanten.

Auch die Ableitung kann innerhalb des Rotorblatts, über die Blattfläche oder entlang der Blattkanten verlaufen. Um den Blitzstrom kontrolliert abfließen zu lassen, werden die Ableiter mit der Nabe verbunden, wo Kohlefaserbürsten oder Luftfunkenstrecken den Sprung zum Gondelkörper überbrücken.
Der Turm selbst als Leiter oder eingebettete Drähte führen den Strom zur Erdung. Die Gondelaufbauten und die Gondel selbst werden zusätzlich mit Fangstangen oder Fangkäfigen geschützt. Systemspannungen in Windenergieanlagen steigen immer mehr.
Ebenso wichtig wie der äußere Schutz ist aber der innere Blitzschutz, insbesondere da die Systemspannungen der WEA immer mehr steigen. „Der Trend geht zu 690 und 1.000 Volt bei TN-Systemen, um den Kabelquerschnitt bei großen Anlagen gering zu halten“, so der Experte. „Das bedeutet für den Ableiter besondere Anforderungen, etwa was die bauliche Gestaltung angeht.

Hier muss auf die Luft-und Kriechstrecken für diese Systeme geachtet werden. “Bei WEA von 600 Kilowatt bis 2,5 Megawatt treten beim Einsatz von Funkenstrecken Kurzschlussströme zwischen acht und 30 Kiloampere auf, weshalb nur Funkenstrecken mit hohem Folgestromlöschvermögen in Frage kommen. Leutron setzt daher zum Beispiel im Übergang von Blitzschutzzone 0 zu 1 in der Hauptverteilung am Turmfuß einen speziell abgestimmten Kombiableiter für 400/690 Volt-Systeme mit einem Blitzstoßstromvermögen von 50 Kiloampere pro Pol ein, der auch Netzfolgeströme selbständig löschen kann. Zusätzlich rät Linder bei WEA nicht allein das Blitzschutzzonenkonzept anzuwenden, sondern es mit dem „Zentralen Eintrittspunkt“-Prinzip (ZEP) zu verbinden: „Das bedeutet, lokale Schutzinseln zu bilden und umzusetzen.“ Alle Leitungen, die in eine Zone eintreten, werden dazu an einem zentralen Punkt verlegt, wo auch der Überspannungsschutz montiert wird. Dadurch sind die Anlagen innerhalb der Zone besser gegen Einkopplungen und verschleppte Potenzialdifferenzen geschützt.
Gleichzeitig sinken die Kosten für die Ableiter, und der Wartungsaufwand wird minimiert. Der innere Blitzschutz ist insofern besonders wichtig, als er die Elektrik nicht nur gegen direkte Einschläge, sondern auch gegen Überspannung aus Blitzschlägen in Leitungen oder Störungen durch elektromagnetische Felder abschirmt.

Erschienen auf www.konstruktionspraxis.vogel.de